Ateliergespräch & Ausstellung – Folge 3

Wagheiten

Ich entscheide mich, dass ich mich nicht entscheide.

Miray Seramet

Am 14. Dezember 2021 fand der 3. Teil unserer Veranstaltungsreihe „Ateliergespräch & Ausstellung“ statt. Diesmal in Słubice, an der deutsch-polnischen Grenze. Für einen Tag verwandelten wir die Bibliothek des Collegium Polonicum zusammen mit der Künstlerin Miray Seramet in ein Atelier und betrachteten gemeinsam zwei ihrer Werke, die eine Auseinandersetzung mit Eindeutigkeit und Uneindeutigkeit, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit anregen.

An diesem Tag drehte sich alles um Wagheiten – einem Wort, das uns passend erscheint für einen Austausch, in dem fassbarer wird, wieviel vage, wichtig und weiter zu erforschen ist, wenn wir von Migrant*innen in der zweiten Generation sprechen. 

Denn wer ist gemeint, wenn von „osteuropäischen Migrant*innen“ gesprochen wird, und wer zählt sich selbst dazu? Bereits der Sammelbegriff der Migrant*innen steht vage da, wenn zahlreiche Bezeichnungen wie die der Pendler*innen, Spätaussiedler*innen, Kontigentflüchtlinge (…) mit ihm zu konkurrieren scheinen. Ist es nur eine Frage der Zeit, bis die (Selbst-)Bezeichnung der „Migrant*innen der zweiten Generation“ gar nicht mehr auftaucht? Sollten wir von Postmigrant*innen sprechen – oder mehr noch eine Post-Ost-Perspektive betonen?

Auffällig – unauffällig – eindeutig – uneindeutig – sichtbar – unsichtbar – lauten auch die Begriffspaare, die in den Dissertationen von Katharina Blumberg-Stankiewicz und Darja Klingenberg eine zentrale Rolle spielen. Beide Wissenschaftlerinnen der Europa-Universität Viadrina tauschten sich im Ateliergespräch über das Forschen und Schreiben zu Migrant*innen aus Polen und der ehemaligen Sowjetunion aus. 

Moderiert wurde das Gespräch von Julia Boxler, Regisseurin und Podcasterin des X3 Kollektivs.

Das Video gibt nur einige Einblicke in die empirischen, ethnographischen, schreib- und forschungspraktischen Beobachtungen der beiden Wissenschaftlerinnen. Der Austausch hielt weit über die Videozeit an, weshalb wir (unten) auf einige in Słubice zitierten Lese- und Inspirationsquellen verweisen.

Unser Dialog zwischen Kunst und Wissenschaft lädt dazu ein, miteinzustimmen in die Überlegungen, wie plakativ und / oder suchend wir uns in weitere Diskussionen einbringen wollen, und welche Perspektiven wir schärfen und vermitteln wollen. Gerade die Zeit nach dem 30jährigen Jubiläum des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages halten wir für richtig, um uns an Themen von Vielschichtigkeit und Vagheit deutlicher vernehmbar heranzuwagen. Schreibt uns, wenn Ihr an weiteren Werkstattgesprächen mitwirken oder Anregungen mit uns teilen möchtet!

  • Katharina Blumberg-Stankiewicz: Uneindeutigkeit nach der Migration. Eine Ethnographie unter Kreativen und Künstler_innen in Berlin, die im Kindesalter, in der Zeit von 1980 bis 1989, von Polen nach Deutschland migriert sind. Dissertation in der Schlussphase.
  • Darja Klingenberg: Wohnen nach der Migration. Materialismus, Hoffnung und Melancholie migrantischer Mittelschichten. Dissertation im Druck.
  • Brygida Helbig-Mischewski: Engel und Schweine. Freiraum-Verlag 2016.
  • Eva Hoffman: Lost in Translation. Ankommen in der Fremde. Verlag Neue Kritik 1993.
  • Maria Janion: Die Polen und ihre Vampire. Studien zur Kritik kultureller Phantasmen. Suhrkamp 2014.

Ateliergespräch & Ausstellung Folge 2 könnt ihr hier ansehen.

Ateliergespräch & Ausstellung Folge 1 könnt ihr hier ansehen.

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